Wahlrechtsreform: Fortschritte, aber wenig innovativ

Mehr Demokratie kritisiert Verzicht auf eine Ersatzstimmen-Regelung im Gesetzentwurf der Ampel.

Am morgigen Freitag (27.1.) bringen die Ampel-Fraktionen ihren Gesetzentwurf zur Änderung des Bundeswahlgesetzes in den Bundestag ein. Ambivalent bewertet der Fachverband Mehr Demokratie die angestrebte Reform. Sie sei überfällig, damit der XXL-Bundestag wieder Normalmaß habe. „Die Ampel erfüllt ihren Auftrag mit einer Reform von der Stange, innovativ ist sie nicht“, so Ralf-Uwe Beck, Bundesvorstandssprecher von Mehr Demokratie.

Positiv sei, dass nach dem Modell der Ampel der Bundestag wieder seine Regelgröße hätte, da es keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr geben würde. Auch die Zuteilung der Sitze wäre künftig einfacher und nachvollziehbarer. Nicht zuletzt würde sich die von den Regierungsparteien vorgeschlagene Reform parteineutral auswirken, während der Unions-Vorschlag die Unionsparteien bevorzuge.

Nach der Reform dürften allerdings mehrere Wahlkreise nicht mehr durch Direktkandidaten im Bundestag vertreten sein. Das wird dann der Fall sein, wenn eine Partei in einem Bundesland über Direktmandate mehr Bundestagssitze erringt, als ihr laut Zweitstimmenergebnis zustehen. „Die sogenannte Ersatzstimme könnte diesen Effekt immerhin abmildern“, betont Beck.

Denn die Stimmen für jene erstplatzierten Wahlkreiskandidaten, die wegen der neuen Regelung keinen Sitz im Bundestag bekommen, gingen nicht zwingend verloren. Sie würden via Ersatzstimme auf die anderen Kandidatinnen und Kandidaten verteilt. „Danach würde in den meisten Fällen ein Kandidat oder eine Kandiatin aus dem Wahlkreis in den Bundestag einziehen – mit guter Legitimation durch die Wählerinnen und Wähler“, so Beck. Ursprüngliche Entwürfe der Ampel-Fraktionen hätten eine solche Ersatzstimme vorgesehen, seien aber offensichtlich wieder fallengelassen worden.

Für Mehr Demokratie wäre eine Ersatzstimme auch für die Zweitstimme notwendig, damit Stimmen für Parteien, die an der Sperrklausel hängenbleiben, dennoch im Parlament repräsentiert wären. Bei der letzten Bundestagswahl betraf das mehr als vier Millionen Wählerstimmen.

Weitere Ressourcen:

1. Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP
2. Antrag der Fraktion der CDU/CSU
3. Mehr Demokratie: Positionspapier zur Reform des Bundestagswahlrechts (2018)
4. Hintergrund zum Konzept der Ersatzstimme