Kritik: Berliner Kommission zum Enteignungs-Volksentscheid hält sich nicht an Vorgaben

Intransparenz bei der Umsetzung des Berliner Enteignungs-Volksentscheids schürt Politikverdrossenheit

Der Verein Mehr Demokratie kritisiert in einem offenen Brief erneut die Mängel bei der Umsetzung des deutschlandweit beachteten Berliner „Mieten-Volksentscheids“ zur Enteignung von Wohnungsgesellschaften ab einer bestimmten Größenordnung. In Berlin tagt heute (22. August) zum fünften Mal die Expertenkommission zur “Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen”, die nach dem Volksentscheid vom 26. September 2021 eingesetzt wurde. Der Fachverband übt scharfe Kritik an der Intransparenz der Kommission: Die drei Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung, Justiz und Finanzen halten demnach konkrete Festlegungen des entsprechenden Senatsbeschlusses und der Geschäftsordnung der Kommission nicht ein.

„Es entsteht der Eindruck, dass die zuständigen Senatsverwaltungen kein ernsthaftes Interesse an der Umsetzung des eigenen Senatsbeschlusses haben. Auch eine tiefergehende öffentliche Debatte zur Umsetzung des Volksentscheids soll scheinbar um jeden Preis vermieden werden”, sagt Regine Laroche, Landesvorstandssprecherin von Mehr Demokratie Berlin/Brandenburg. „Mit dem Votum der Berlinerinnen und Berliner wird dabei umgegangen, als handele es sich um irgendeine Randnotiz. Ein Volksentscheid ist jedoch ein gesetzlich geregeltes Verfahren mit verbindlichen Vorschriften. Es liegt in der Verantwortung der Politik, dieses Votum wirklich ernst zu nehmen. Alles andere schürt Frustration und damit auch Politikverdrossenheit.”

„Es geht auch anders: Andere Expertenkommissionen agieren vorbildlich, beispielsweise zum Wahlrecht auf Bundesebene”, ergänzt Oliver Wiedmann, Co-Sprecher von Mehr Demokratie Berlin/Brandenburg. „Hier werden ganz selbstverständlich alle Dokumente online gestellt und die Sitzungen der Kommission sind im Livestream zu verfolgen. Was für ein so strittiges Thema wie das Wahlrecht möglich ist, sollte doch auch bei einem Volksentscheid möglich sein. In Berlin entsteht dagegen der Eindruck, der Senat wolle das Ergebnis des Volksentscheids aussitzen.”

Konkret erklärt Mehr Demokratie in dem Schreiben, dass Arbeitsplan, Tagesordnungen, Anhörungen, Gutachten, freigegebene Sitzungsprotokolle und Zwischenberichte über die bisher geleistete Arbeit der Kommission seit April nicht veröffentlicht wurden. Zudem sei die Website der Kommission schwer auffindbar, sofern man nicht die genaue Internetadresse kenne. Außerdem fordert der Verein die Senatsverwaltungen auf, zu beantworten, was zu den Verzögerungen bei der Veröffentlichung führe, warum es keinen dauerhaften Livestream gäbe und was die Senatsverwaltungen plane, um mehr Transparenz hierüber herzustellen.

+++ Hintergrund +++

Am 26. September 2021 hat sich eine eindeutige Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner mit 57,6 Prozent (1.035.950 Stimmen) im Volksentscheid für die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen ausgesprochen. Die Abstimmung war der 25. Volksentscheid deutschlandweit und die erste Volksabstimmung seit vier Jahren in ganz Deutschland. Laut Koalitionsvertrag von Rot-Grün-Rot soll eine Expertenkommission Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Vergesellschaftung nun prüfen.

Im Einsetzungsbeschluss der Kommission der drei zuständigen Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung, Finanzen und Justiz vom 29.03.2022 ist festgeschrieben, dass die Kommission im Grundsatz öffentlich tagen soll.

Zum offenen Brief von Mehr Demokratie Berlin/Brandenburg: https://www.mehr-demokratie.de/fileadmin/pdf/2022/22_08_20_Brief_Expertenkommission_DWE_Berlin.pdf