Am 1. Juli 1994 trat die Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt in Kraft und mit ihr die Möglichkeit für Bürgerinnen und Bürger, über die direkte Demokratie verbindlich in Sachfragen in ihrer Kommune zu entscheiden. 20 Jahre später, am 1. Juli 2014, wurde die Gemeindeordnung durch das Kommunalverfassungsgesetz ersetzt. Beide Jubiläen hat der Landesverband Sachsen-Anhalt von Mehr Demokratie zum Anlass genommen, um die direktdemokratische Praxis der vergangenen 30 Jahre in einem Sonderbericht zusammenzufassen. "Bürgerbegehren in Sachsen-Anhalt: 1994 - 2024" ist die erste Zusammenfassung dieser Art und bietet nehmen Erläuterungen und Analysen auch Vorschläge für eine Verbesserung von Verfahren.
Insgesamt gab es seit dem 1. Juli 1994 276 direktdemokratische Verfahren in Sachsen-Anhalt. Dazu zählen sowohl von unten initiierte Bürgerbegehren, als auch Ratsreferenden, also Bürgerentscheide, die von der Gemeindevetretung angesetzt werden. Pro Jahr werden durchschnittlich neun direktdemokratische Verfahren eingeleitet. Auffällig ist, dass darunter nur vier von den Bürgern initiierte Bürgerbegehren sind. Die weiteren Verfahren sind durch den Gemeinde- oder Stadtrat angesetzte Bürgerentscheide. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass viele Bürgerentscheide zu Gebietsreformen stattfanden, die von den Gemeindevertretungen eingeleitet worden. 184 der insgesamt 276 Verfahren betrafen dieses Thema. Gleichzeitig konnten die Bürgern über viele Jahre nur zu wenigen Themen selbst einen Bürgerentscheid erwirken. Dies lag wiederum an den schlechten Regelungen und hohen Hürden, insbesondere an einem umfassenden Themenausschluss. Nur zu wenigen Fragen durften die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich abstimmen.
Insbesondere die Reform aus dem Jahr 2014, als der Themenkatalog erweitert wurde, zeigte Wirkung. Sie führt zu spürbar mehr zulässigen Bürgerbegehren. Dennoch liegt die Anzahl der Bürgerbegehren, die im Gesamtzeitraum aus formalen Gründen für unzulässig erklärt wurden, liegt bei 35 Prozent und ist im bundesweiten Vergleich sehr hoch.
Mehr Demokratie fordert aufbauend aus den Erkenntnissen aus dem Bericht nunweitere Reformen, um die direkte Demokratie auf kommunaler Ebene zu verbessern und anwendungsfreundlicher zu machen. Zwei wichtige Maßnahmen ist die Aufnahme von Verfahren zur Bauleitplanung in den Themenkatalog für Bürgerentscheide und die Senkung des Unterschriftenquorums für Bürgerbegehren. Zudem sollten das Land und die Kommunen mehr über die Mitbestimmungsmöglichkeiten informieren.
Der komplette Bericht kann hier eingesehen und heruntergeladen werden.